Präambel

Europarat, Parlamentarische Versammlung

Die Präambel des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten erläutert die Gründe für die Ausarbeitung dieses Rahmenübereinkommens und legt bestimmte grundsätzliche Anliegen seiner Verfasser dar.

Schon die einleitenden Worte lassen erkennen, dass diese Übereinkunft auch von Staaten, die nicht Mitglied des Europarates sind, unterzeichnet und ratifiziert werden kann (siehe Artikel 27 und 29).

Die Mitgliedstaaten des Europarats und die anderen Staaten, die dieses Rahmenübereinkommen unterzeichnen,

  • in der Erwägung, daß es das Ziel des Europarats ist, eine engere Verbindung zwischen seinen Mitgliedern herbeizuführen, um die Ideale und Grundsätze, die ihr gemeinsames Erbe bilden, zu wahren und zu fördern;
  • in der Erwägung, daß eines der Mittel zur Erreichung dieses Zieles in der Wahrung und in der Entwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten besteht;
  • in dem Wunsch, die Wiener Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Europarats vom 9. Oktober 1993 in die Tat umzusetzen;
  • entschlossen, in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet das Bestehen nationaler Minderheiten zu schützen;
  • in der Erwägung, daß die geschichtlichen Umwälzungen in Europa gezeigt haben, daß der Schutz nationaler Minderheiten für Stabilität, demokratische Sicherheit und Frieden auf diesem Kontinent wesentlich ist;
  • in der Erwägung, daß eine pluralistische und wahrhaft demokratische Gesellschaft nicht nur die ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität aller Angehörigen einer nationalen Minderheit achten, sondern auch geeignete Bedingungen schaffen sollte, die es ihnen ermöglichen, diese Identität zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und zu entwickeln;
  • in der Erwägung, daß es notwendig ist, ein Klima der Toleranz und des Dialogs zu schaffen, damit sich die kulturelle Vielfalt für jede Gesellschaft als Quelle und Faktor nicht der Teilung, sondern der Bereicherung erweisen kann;
  • in der Erwägung, daß die Entwicklung eines toleranten und blühenden Europas nicht allein von der Zusammenarbeit zwischen den Staaten abhängt, sondern auch der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften unter Achtung der Verfassung und der territorialen Unversehrtheit eines jeden Staates bedarf;
  • im Hinblick auf die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Protokolle dazu;
  • im Hinblick auf die den Schutz nationaler Minderheiten betreffenden Verpflichtungen, die in Übereinkommen und Erklärungen der Vereinten Nationen und in den Dokumenten der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, insbesondere dem Kopenhagener Dokument vom 29. Juni 1990, enthalten sind;
  • entschlossen, die zu achtenden Grundsätze und die sich aus ihnen ergebenden Verpflichtungen festzulegen, um in den Mitgliedstaaten und in den anderen Staaten, die Vertragsparteien dieser übereinkunft werden, den wirksamen Schutz nationaler Minderheiten sowie der Rechte und Freiheiten der Angehörigen dieser Minderheiten unter Achtung der Rechtsstaatlichkeit, der territorialen Unversehrtheit und der nationalen Souveränität der Staaten zu gewährleisten;
  • gewillt, die in diesem Rahmenübereinkommen niedergelegten Grundsätze mittels innerstaatlicher Rechtsvorschriften und geeigneter Regierungspolitik zu verwirklichen,

sind wie folgt übereingekommen:

Die Präambel nimmt Bezug auf das satzungsgemäße Ziel des Europarats und auf eines der Mittel zur Erreichung dieses Zieles, die Wahrung und Entwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

Sie nimmt ferner Bezug auf die Wiener Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Europarats, ein Dokument, mit dem das Fundament für dieses Rahmenübereinkommen gelegt wurde. Der Wortlaut der Präambel lehnt sich in der Tat weitgehend an diese Wiener Erklärung an. Das gleiche gilt für die Auswahl der in den Abschnitten I und II des Rahmenübereinkommens vorgesehenen Verpflichtungen.

Die Präambel erwähnt, ohne erschöpfend zu sein, drei weitere Quellen, auf die der Inhalt des Rahmenübereinkommens zurückgeht:

  • die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sowie
  • Dokumente der Vereinten Nationen
  • und der KSZE, die Verpflichtungen betreffend den Schutz nationaler Minderheiten enthalten.

Die Präambel spiegelt die Besorgnis des Europarats und seiner Mitgliedstaaten über die Gefährdung der Existenz nationaler Minderheiten wider und geht zurück auf Artikel 1 Absatz 1 der im Jahr 1992 verabschiedeten Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte von Angehörigen nationaler oder ethnischer, religiöser und sprachlicher Minderheiten1.

In Anbetracht dessen, dass das Rahmenübereinkommen auch Nichtmitgliedstaaten des Europarats offensteht – und um einen umfassenderen Lösungsansatz sicherzustellen – wurde beschlossen, bestimmte Grundsätze aufzunehmen, aus denen sich Rechte und Freiheiten ergeben, die schon in der Europäischen Menschenrechtskonvention oder den Protokollen dazu gewährleistet sind (siehe hierzu auch Artikel 23 des Rahmenübereinkommens).

Die Bezugnahme auf Übereinkommen und Erklärungen der Vereinten Nationen ruft die weltweit, zum Beispiel im lnternationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Artikel 27) und in der Erklärung über die Rechte von Angehörigen nationaler oder ethnischer, religiöser und sprachlicher Minderheiten, geleisteten Arbeiten in Erinnerung. Diese Bezugnahme erstreckt sich jedoch nicht auf eine gegebenenfalls in diesen Übereinkünften enthaltene Definition einer nationalen Minderheit.

Die Bezugnahme auf die entsprechenden Verpflichtungen im Rahmen der KSZE spiegelt den in der Wiener Erklärung ausgesprochenen Wunsch wider, der Europarat möge sich bemühen, diese politischen Verpflichtungen möglichst umfassend in rechtliche Verpflichtungen umzusetzen, insbesondere das Kopenhagener Dokument der OSZE war für die Ausarbeitung des Rahmenübereinkornmens richtungweisend.

Der vorletzte Absatz der Präambel beschreibt das Hauptanliegen des Rahmenübereinkommens: Sicherstellung des wirksamen Schutzes nationaler Minderheiten und der Rechte von Angehörigen dieser Minderheiten. Er betont auch, dass der wirksame Schutz unter Achtung der Rechtsstaatlichkeit, der territorialen Unversehrtheit und der nationalen Souveränität der Staaten gewährleistetet werden sollte.

Der letzte Absatz soll zum Ausdruck bringen, dass die Bestimmungen dieses Rahmenübereinkornmens nicht unmittelbar anwendbar sind. Er befasst sich nicht mit Recht und Praxis der Vertragsparteien in Bezug auf die Übernahme völkerrechtlicher Verträge in die innerstaatliche Rechtsordnung.

  1. Resolution 47/135, angenommen von der Generalversammlung am 18. Dezember 1992[]

Bildquellen:

  • Europarat, Parlamentarische Versammlung: Council of Europe / Ellen Wuibaux