Artikel 12 des Rahmenübereinkommens des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten betrifft Maßnahmen auf dem Gebiet der Bildung und Forschung.
Diese Bestimmung soll die Kenntnis der Kultur, Geschichte, Sprache und Religion sowohl der nationalen Minderheiten als auch der Mehrheitsbevölkerung unter einem interkulturellen Blickwinkel fördern.
Ziel dieser Bestimmung ist, wie es schon in der Präambel des Rahmenübereinkommens heißt, ein Klima der Toleranz und des Dialogs zu schaffen.
Artikel 12 [Bildung und Forschung]
- Die Vertragsparteien treffen erforderlichenfalls Maßnahmen auf dem Gebiet der Bildung und der Forschung, um die Kenntnis der Kultur, Geschichte, Sprache und Religion ihrer nationalen Minderheiten wie auch der Mehrheit zu fördern.
- In diesem Zusammenhang stellen die Vertragsparteien unter anderem angemessene Möglichkeiten für die Lehrerausbildung und den Zugang zu Lehrbüchern bereit und erleichtern Kontakte unter Schülern und Lehrern aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen.
- Die Vertragsparteien verpflichten sich, die Chancengleichheit von Angehörigen nationaler Minderheiten beim Zugang zu allen Bildungsstufen zu fördern.
Die in Artikel 12 Absatz 1 des Rahmenübereinkommens angesprochene Bildung und Forschung mit der geforderten Zielsetzung sind in den Ländern Teil insbesondere der Lehrpläne für die öffentlichen Schulen sowie des Auftrags der Landeszentralen und der Bundeszentrale für politische Bildung, die laufend mit öffentlichen Haushaltsmitteln ausgestattet werden und im Rahmen ihres Generalauftrages bei den einzelnen Arbeitsfeldern Prioritäten setzen. Hier ist von staatlicher Seite zu sichern, dass der Thematik der nationalen Minderheiten und weiteren traditionell heimischen Volksgruppen der erforderliche Stellenwert eingeräumt wird.
In mehreren Ländern der Bundesrepublik Deutschland wurden staatliche Forschungseinrichtungen mit dem entsprechenden Auftrag geschaffen oder werden laufend private Forschungseinrichtungen der Minderheiten staatlich gefördert. In den Ländern Brandenburg und Sachsen sowie Niedersachsen und Schleswig-Holstein, auf deren Territorium sich traditionelle Siedlungsgebiete der Sorben, Dänen und Friesen befinden, wird damit der Bestimmung Rechnung getragen.
Die Erforschung der Geschichte und Kultur der Volksgruppe der deutschen Sinti und Roma uns insbesondere deren Verfolgung während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des Völkermords an den Sinti und Roma werden über die staatliche Finanzierung des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma ebenfalls gefördert. Hinzu kommt in einzelnen Ländern noch die staatliche Förderung regionaler Forschungsprojekte.
Die Förderung der Kenntnis der Kultur, Geschichte, Sprache und Religion der nationalen Minderheiten sowie der Mehrheit im Bereich der Lehre ist nach den Rechtsordnungen der deutschen Bundesländer eine ständige Aufgabe des Staates, die im Geist des Rahmenübereinkommens zu erfüllen ist.
Artikel 12 Absatz 2 des Rahmenübereinkommens verpflichtet die Vertragsparteien zu Maßnahme im Bereich der Lehrerausbildung und des Zugangs zu Lehrbüchern sowie zur Erleichterung des Kontakts unter Schülern und Lehrern aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. In Deutschland gibt es keine staatlichen Hemmnisse für solche Kontakte, sondern vielfältige Bemühungen um ihre Verstärkung. Pilotprojekte im Rahmen der Lehrerfortbildung und bei der Entwicklung von Arbeitsmaterialien sind insbesondere auch auf die Verstärkung des Kontakts zwischen Lehrern und Angehörigen der Volksgruppe der deutschen Sinti und Roma und auf die stärkere Berücksichtigung der Geschichte und Kultur dieser Volksgruppe im Unterricht gerichtet.
Für die im öffentlichen und privaten Schulsystem angebotenen Minderheitensprachen Dänisch, Sorbisch und Friesisch sind die Voraussetzungen für die Lehrerausbildung und Ausbildung von Erzieherinnen bereits geschaffen. Hinsichtlich Sorbisch und Friesisch werden sie durch entsprechende Hoch- und Fachschuleinrichtungen gewährleistet. Hinsichtlich Dänisch in Deutschland und Deutsch in Dänemark werden die Verpflichtungen wechselseitig im jeweiligen Nachbarland gewährleistet.
Auch Schulbücher für alle drei im Schulwesen eingeführten Minderheitensprachen (Sorbisch, Dänisch, Friesisch) stehen zur Verfügung.
Die in Artikel 12 Absatz 2 des Rahmenübereinkommens enthaltene Aufzählung ist nicht erschöpfend, und die Worte „Zugang zu Lehrbüchern“ umfassen auch die Veröffentlichung von Lehrbüchern und deren Erwerb in anderen Ländern. Die Verpflichtung zur Förderung der Chancengleichheit von Angehörigen nationaler Minderheiten beim Zugang zu allen Bildungsstufen gibt ein in der Wiener Erklärung zum Ausdruck gebrachtes Anliegen wieder.
Artikel 12 Absatz 3 des Rahmenübereinkommens betrifft die Chancengleichheit von Angehörigen nationaler Minderheiten beim Zugang zu allen Bildungsstufen. Sie ist im deutschen Recht in Artikel 3 GG rechtlich verankert und durch die Schulgesetze der Länder besonders ausgeformt.
Bildquellen:
- Das „Haus der Sorben“ am Postplatz in Bautzen: Julian Nyča | CC BY-SA 3.0 Unported