Anwendungsbereich in Deutschland

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Das Rahmenübereinkommen enthält Grundsätze zum Schutz nationaler Minderheiten und der Rechte und Freiheiten ihrer Angehörigen. Der Begriff der nationalen Minderheit ist im Rahmenübereinkommen nicht definiert. Es ist damit Sache der Vertragsstaaten selbst, den Anwendungsbereich des Übereinkommens in ihrem Gebiet zu bestimmen. Mit Blick auf die unterschiedlichen rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten in den einzelnen Staaten verfolgte der Europarat insoweit einen pragmatischen Ansatz.

Die Bundesrepublik Deutschland hat den Anwendungsbereich des Rahmenübereinkommens bei Zeichnung des Übereinkommens am 11. Mai 1995 in einer Auslegungserklärung festgelegt:

Das Rahmenübereinkommen enthält keine Definition des Begriffs der nationalen Minderheit. Es ist deshalb Sache der einzelnen Vertragsstaaten zu bestimmen, auf welche Gruppen es nach der Ratifizierung Anwendung findet. Nationale Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland sind die Dänen deutscher Staatsangehörigkeit und die Angehörigen des sorbischen Volkes mit deutscher Staatsangehörigkeit. Das Rahmenübereinkommen wird auch auf die Angehörigen der traditionell in Deutschland heimischen Volksgruppen der Friesen deutscher Staatsangehörigkeit und der Sinti und Roma deutscher Staatsangehörigkeit angewendet.

Die Bundesrepublik sieht -wie die meisten der Unterzeichnerstaaten des Rahmenübereinkommens – fünf Kriterien, die eine Bevölkerungsgruppe als nationale Minderheiten qualifizieren:

  1. Ihre Angehörigen sind deutsche Staatsangehörige,
  2. sie unterscheiden sich vom Mehrheitsvolk durch eigene Sprache, Kultur und Geschichte, also eigene Identität,
  3. sie wollen diese Identität bewahren,
  4. sie sind traditionell in Deutschland heimisch,
  5. sie leben hier in angestammten Siedlungsgebieten.

Diese Kriterien werden in Deutschland von der dänischen Minderheit, die im Landesteil Schleswig des Landes Schleswig-Holstein lebt, erfüllt sowie vom sorbischen Volk, das im Nordosten des Freistaats Sachsen und im Südosten des Landes Brandenburg heimisch ist.

Auch die Friesen erfüllen genau genommen diese Definition. Sie leben im Nordwesten der Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen – ebenso wie die Dänen und Sorben – in angestammten Siedlungsgebieten. Die Mehrheit der Friesen betrachtet sich allerdings nicht als nationale Minderheit, sondern als Volksgruppe im deutschen Volk mit besonderer Sprache, Herkunft und Kultur.

Die deutschen Sinti und Roma sind ebenso eine Volksgruppe, die traditionell in Deutschland heimisch ist. Sie leben aber nicht in einem oder mehreren angestammten Siedlungsgebieten, sondern nahezu in ganz Deutschland verteilt. Gleichwohl sollen sie in der heutigen Bundesrepublik den gleichen staatlichen Schutz und staatliche Förderung erhalten wie eine der anderen nationalen Minderheiten.

Das besondere Konzept des Rahmenübereinkommens, das den Staaten einen breiten Gestaltungsspielraum lässt, ermöglicht es. das Übereinkommen auf alle diese vier traditionell in Deutschland heimischen Volksgruppen anzuwenden.

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